Kein Frieden mit dem Imperialismus! Warum Russland in der Ukraine siegen muss


Aus einer fundierten und konsequent antiimperialistischen Perspektive heraus ist jede Analyse der globalen politischen Landschaft unvermeidlich mit der Erkenntnis verkn
üpft, dass der Imperialismus im Wesentlichen als eine sterbende Form des Monopolkapitalismus betrachtet werden muss. Lenin charakterisierte diesen Zustand treffend, als er feststellte: Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet hat, wo der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen hat, wo die Aufteilung der Welt unter die internationalen Trusts begonnen hat und wo die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde unter die größten kapitalistischen Mächte abgeschlossen ist. (Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, 1916)
1. Vor diesem ideologischen Hintergrund erweist es sich als von höchster Wichtigkeit, zwischen den unmittelbaren Folgen des Krieges in der Ukraine und den übergreifenden geopolitischen Implikationen zu unterscheiden, die das Ergebnis einer Niederlage oder eines Sieges bestimmter Mächte mit sich bringen könnte.

Was der Sieg Russlands bedeuten könnte

Im spezifischen Kontext des Ukrainekriegs zeichnen sich zwei maßgebliche Szenarien ab. Ein Sieg Russlands, der sich in der Durchsetzung der erklärten Kriegsziele manifestiert und in einem diplomatischen Rückzug der NATO sowie einer wirtschaftlichen Niederlage des westlichen Kapitals resultiert, würde unweigerlich die politische Autorität und die Abschreckungswirkung des westlichen Militärbündnisses untergraben. Dies könnte nicht nur Staaten in Europa, sondern auch in anderen Regionen dazu ermutigen, sich dem notwendigen westlichen Druck zu entziehen, sondern es könnte darüber hinaus auch antiimperialistischen Kräften neue Handlungsspielräume eröffnen. Die World Anti-Imperialist Platform (WAP) stellt treffend fest: „Dass die Hauptbedrohung für den Weltfrieden der Imperialismus ist, insbesondere der kriminelle, aggressive US-geführte NATO-Block, und dass wir in eine neue historische Phase eingetreten sind: eine, in der die endgültige Niederlage des Imperialismus sowohl eine reale Möglichkeit als auch eine vitale Notwendigkeit ist.“ (WAP-Erklärung, Athen-Konferenz 2023)2.

Es ist jedoch entscheidend anzumerken, dass dieses Szenario nicht ohne erhebliche Risiken für die Arbeiterklasse bleibt. Die Kommunistische Arbeiterpartei Russlands (RKAP) hat wiederholt hervorgehoben, dass die russische Bourgeoisie ihre Interessen unbarmherzig durchsetzt und dabei die unabhängige Gewerkschaftsarbeit im Inland massiv unterdrückt.

Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) befürwortet offiziell die russischen Militäroperationen in der Ukraine und verfolgt eine Agenda, die vornehmlich auf die Verteidigung der nationalen Souveränität Russlands abzielt. Sie warnen eindringlich davor, dass Russland nicht zulassen kann, erneut unter die Herrschaft einer ungestörten Ausbeutung durch das westliche Monopolkapital zu geraten. Die russische Arbeiterklasse und die Nation dürfen nicht zurückgedrängt werden, um wieder zum bloßen Rohstofflieferanten für die NATO degradiert zu werden eine solche Ausbeutung darf nicht erneut stattfinden. Der militärische Konflikt, den Russland führt, ist daher ein nationaler Krieg, der direkt gegen die langjährige imperialistische Aggression gerichtet ist und eine unmittelbare Reaktion auf Bedrohungen der nationalen Sicherheitsinteressen darstellt. Diese Reihe an militärischen Maßnahmen zielt darauf ab, den antifaschistischen Befreiungskampf der Donbass-Republiken zu unterstützen und gleichzeitig die NATO in ihrem aggressiven zermürbenden Krieg in der Ukraine zurückzudrängen. Der vorliegende Krieg stellt einen historischen Wendepunkt dar, denn er ist der erste Konflikt einer bedeutenden Militärmacht, der sich aktiv gegen die Unterdrückung durch den Imperialismus richtet.

There are no borders in this struggle to the death. We cannot be indifferent to what happens anywhere in the world, because a victory by any country over imperialism is our victory, just as any country's defeat is a defeat for all of us.“ (Che Guevara, Speech to the Second Economic Seminar of Afro-Asian Solidarity, 1965)3

Das russische Proletariat muss in diesem Kontext das revolutionäre Potenzial dieses nationalen und antifaschistischen Krieges aktiv nutzen. Es ist unerlässlich, dass die Arbeiterklasse als entscheidender politischer Faktor eine konsistente nationale Verteidigung und einen unermüdlichen Antifaschismus gegen ihre Klassengegner durchsetzt. Nach der Phase der Demütigung und Ausbeutung Russlands in den 1990er Jahren ist die Arbeiterklasse sich ihrer Errungenschaften bewusst sie hat viel zu verlieren. Zugleich muss sie sich der Tatsache bewusst sein, dass der Krieg unter Führung einer Bourgeoisie geführt wird, die eigene Klasseninteressen verfolgt. Die entscheidende Aufgabe besteht also darin, diesen Krieg nicht nur passiv zu erdulden, sondern aktiv in eine revolutionäre Richtung zu lenken: von einem rein nationalen Verteidigungskrieg hin zu einem Krieg, der die Grundlagen des Kapitalismus selbst erschüttert.

Die Implementierung dieser politischen Maßnahmen bietet unbestreitbare Vorteile, die primär der nationalen Bourgeoisie zugutekommen. Diese hat ihren Einfluss gestärkt und ihren Handlungsspielraum erheblich erweitert. Gleichzeitig sind die Fortschritte zur nationalen Unabhängigkeit, die Russland erzielt hat, auch den Volksmassen zugutekommen, und diese Errungenschaften werden durch die laufenden Militäraktionen bewahrt. Die Werktätigen in Stadt und Land sehen sich nicht mehr dem alten Doppeljoch einheimischer und ausländischer Ausbeuter ausgeliefert diese veränderte Realität ist von entscheidender Bedeutung für ihre Existenzbedingungen. Genau hier liegt die Dialektik des gegenwärtigen Kampfes: Die Bourgeoisie mag sich bereichern, aber sie kann die antiimperialistische Bedeutung des Krieges nicht auslöschen. Darum ist es für Marxisten-Leninisten notwendig, die fortschrittlichen Elemente zu stärken, ohne die Klassengegensätze zu vergessen.

Der Sieg der NATO muss verhindert werden

Ein Sieg der NATO bedeutet gleichzeitig einen Sieg des ukrainischen Faschismus. Solch ein Ausgang würde nicht nur die Ukraine in die Fänge imperialistischer Unterdrückung zurückführen, sondern auch eine erneute Ausbeutung Russlands durch die westlichen Kräfte nach sich ziehen. Das internationale Kräfteverhältnis würde sich in signifikantem Maße zugunsten des Imperialismus verschieben. Die vollständige Wiederherstellung der Kontrolle Kiews über die umstrittenen Gebiete und die Rückkehr zu den Grenzen von 2013 würde dem westlichen Block erhebliche wirtschaftliche und vor allem politische Stärke verleihen, eine Intensivierung der Militarisierung nach sich ziehen, die Sanktionen verschärfen und die geopolitische Polarisierung vertiefen. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation  hat zu Recht auf folgende Notwendigkeit hingewiesen: „Es ist dringend notwendig geworden, die Provokateure in Kiew zum Frieden zu zwingen und die Aggressivität der NATO zu zügeln. Nur die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine wird den Völkern Russlands, der Ukraine und ganz Europas nachhaltige Sicherheit garantieren.“ (Erklärung des Präsidiums des ZK der KPRF)4

Ein NATO-Sieg würde sowohl für die Arbeiterklasse im Westen als auch im Osten gravierende negative Konsequenzen nach sich ziehen: steigende Rüstungsausgaben, eine Verschiebung des politischen Klimas nach rechts und eine verstärkte Repression gegen linke und antiimperialistische Bewegungen.

Chancen der Multipolarität

Darüber hinaus muss die Frage nach der Rolle einer multipolaren Weltordnung im Kontrast zur herrschenden westlichen Dominanz betrachtet werden. Der Aufstieg von BRICS-Strukturen, insbesondere der New Development Bank (NDB), bietet die Möglichkeit, Finanzierungen und Investitionen jenseits des Dollar-Systems und der damit verbundenen Auflagen von IWF und Weltbank zu organisieren. Die NDB selbst erklärt, ihr Ziel sei es, Mitgliedsstaaten dabei zu helfen, Infrastruktur- und nachhaltige Entwicklungsprojekte zu finanzieren, ohne die Bedingungen traditioneller westlicher Kreditgeber zu akzeptieren (NDB Annual Report 2023)5. Für zahlreiche Staaten des Globalen Südens bedeutet dies eine signifikante Verminderung der Erpressbarkeit durch westliche Geldgeber, bessere Kreditkonditionen und damit potenziell mehr Handlungsspielraum für soziale und infrastrukturelle Projekte.

Politisch eröffnet eine multipolare Ordnung neuen diplomatischen Spielraum: Staaten können Sanktionen umgehen, sich in internationalen Foren unabhängiger präsentieren und Bündnisse jenseits der NATO schmieden. Die BRICS-Erweiterungen, wie der Beitritt von Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2024, belegen, dass immer mehr Länder nach Alternativen zu westlich dominierten Strukturen suchen (BRICS Johannesburg II Declaration, 2023)6. Militärisch könnte die verstärkte Kooperation zwischen Russland, China und anderen Ländern die Abschreckung gegenüber westlichen Interventionen erhöhen und so sowohl kurzfristig als auch langfristig den Raum souveräner politischer Entscheidungen erweitern.

Die Rolle Chinas

Im BRICS-Bündnis hat China als sozialistischer Staat mit einer zunehmend planwirtschaftlichen Struktur eine besondere Rolle. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) betont, dass ihr Modell auf dem Sozialismus chinesischer Prägung basiert, der eine prägende Rolle in der Entwicklung des Landes spielt und gleichzeitig eine alternative Form der gesellschaftlichen Organisation gegenüber dem westlichen Kapitalismus darstellt. China nutzt seine wirtschaftliche Stärke und seine Position in BRICS, um multipolare Strukturen zu stärken und den globalen Einfluss der westlichen Imperialisten zu begrenzen. Es muss jedoch betont werden, dass auch China in dieser Phase kapitalistische Widersprüche in sich trägt: Trotz einer planwirtschaftlichen Grundstruktur existiert ein stark gelenkter Staatskapitalismus, der unter den Bedingungen internationaler Konkurrenz und Kapitalakkumulation operiert.

Aus antiimperialistischer Perspektive birgt China sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die globale Arbeiterbewegung. Einerseits demonstriert es, dass sozialistische Entwicklung möglich ist und eine wirkliche Alternative zum westlichen Imperialismus darstellt; andererseits ist es unerlässlich für progressive Kräfte, eine kritische Haltung zu bewahren und die Notwendigkeit einer Überwindung aller kapitalistischen Elemente zu betonen, um den Sozialismus voranzubringen.

Diese Entwicklungen sind jedoch durch gewisse Ambivalenzen gekennzeichnet. BRICS stellt keinen sozialistischen Block dar, sondern besteht hauptsächlich aus kapitalistischen Staaten, in denen sowohl eine Kompradoren- als auch eine nationale Bourgeoisie existiert. Eine Abkehr von der westlichen Hegemonie bedeutet nicht zwangsläufig eine Rückkehr zur Arbeiterkontrolle oder zu sozialistischer Transformation. Autoritäre Tendenzen und die Bereitschaft, unabhängige Gewerkschaften und linke Bewegungen zu unterdrücken, sind sowohl in Russland als auch in Indien, wie auch im Westen, fest verankert. Zudem können nationalistische Politiken, die in einer multipolaren Welt an Gewicht gewinnen, die internationale Solidarität innerhalb der Arbeiterklasse gefährden.

Für die internationale Arbeiterbewegung ist die strategische Bedeutung dieser geopolitischen Verschiebungen daher nicht darin zu finden, sich blind auf die Seite einer der Großmächte zu stellen, sondern vielmehr die neu entstehenden Widersprüche und Freiräume aktiv zu nutzen. Eine multipolare Welt kann kurzfristige Vorteile bringen, wie etwa eine größere ökonomische Unabhängigkeit vom Westen, diplomatische Alternativen und mehr Handlungsspielraum für Befreiungsbewegungen, aber nur, wenn die Arbeiterklasse ihre politische Autonomie bewahrt und diese Freiräume konsequent für ihre eigenen Ziele nutzt. Taktische Allianzen gegen imperialistische Aggressionen können notwendig sein, sollten jedoch stets mit einer klaren antikapitalistischen Perspektive verbunden bleiben. Wie Lenin mahnte, tragen alle imperialistischen Mächte im Kern den gleichen Charakter: Sie repräsentieren das monopolkapitalistische Weltsystem. Das langfristige Ziel muss folglich immer die Überwindung dieses Systems sein, nicht lediglich eine Verschiebung zugunsten einer anderen Bourgeoisie.

Trotz aller berechtigten Kritik an den autoritären Entwicklungen und kapitalistischen Widersprüchen in Russland und anderen BRICS-Staaten unterstütze ich aus revolutionärer Sicht die multipolare Weltordnung, die von diesen Staaten gemeinsam mit anderen BRICS-Mitgliedern aufgebaut wird. Diese multipolare Struktur schwächt die unangefochtene Dominanz des westlichen Imperialismus, insbesondere der NATO und der G7, die seit Jahrzehnten Kriege, Sanktionen und Ausbeutung orchestrieren. Eine solche multipolare Ordnung eröffnet neue geopolitische Räume und Handlungsspielräume für unterdrückte Völker und Staaten, verringert die Abhängigkeit vom US-Dollar und von westlichen Finanzinstitutionen und könnte auf diese Weise das Kräfteverhältnis auf globaler Ebene zugunsten antiimperialistischer Kräfte verschieben. Gleichermaßen bleibt klar, dass diese multipolare Weltordnung nur als ein Zwischenschritt betrachtet werden kann: Die ultimative Befreiung der Arbeiterklasse sowie der unterdrückten Massen erfordert die vollständige Überwindung des imperialistischen Weltsystems und die Errichtung einer sozialen Ordnung, in der das Proletariat die politische Macht innehat und die Produktionsmittel kollektiv verwaltet werden.

Darum: Kein Frieden mit dem Imperialismus Sieg für Russland in der Ukraine bedeutet eine Bresche im Bollwerk der NATO!

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